Instrumentation: 5 choirs, 7 trombones, 2 organs,
2 percussionists, recorder quartet, church bells,
solo soprano and male speaker
Year: 2001
Duration: 29:14
First Performance: 1–21–2002, St. Agnes, Cologne; choirs
and ensembles St. Agnes, Marlene Mild – soprano,
Margret Hoppe – Director
Recording: CD – sacramusica/youtube
Publisher in progress: falkosteinbach.com/
Manuscript: archive Falko Steinbach
Remarks: commissioned by the parish St. Agnes, Cologne,
5th part of the “Apocalypse”
Program notes
Zum 100 – jährigen Bestehen der Agneskirche in Köln eine Komposition in Auftrag zu geben, diese Idee stammt von Herrn Pastor Dr. Hans Ulrich Wiese. Als er im Sommer 1997 an mich herantrat, war ich begeistert. In unseren darauf folgenden langen Gesprächen wurde mir zunehmend deutlich, was für eine interessante und komplexe Aufgabe sich mir stellte. Die Idee schlummerte einige Jahre vor sich hin, ohne daß ich die Zeit gehabt hätte, mich ihr bewußt zu widmen. Dann ging plötzlich alles ganz schnell und die Messe wurde im Sommer 2000 zwischen Juni und September komponiert. Schon damals war mir bewußt, daß dieses Werk der letzte Teil eines fünfteiligen Zyklus für Kirchenmusik werden sollte, eines Pentagramms. Sein Name ist “Apokalypse” (entstanden 2000-2016). Er besteht aus der Thomasmesse, Spero Lucem, Lavacrum Aquae, Vita S. Apollinaris Brevior und der Agnesmesse.
Die vielen Gespräche mit Herrn Pastor Wiese regten dazu an, mich intensiv mit der Historie der Pfarrei St. Agnes, insbesondere der Einweihung der Agneskirche am 21. Jannuar 1902 und dem Lebenslauf der Pfarrgemeindemitglieder und Widerständler Nikolaus Gross, Bernhard Letterhaus und Otto Müller gegen die absolute psychische und physische Diktatur, wie sie sich in Köln und in Deutschland im Faschismus unter den Nationalsozialisten offenbarte, zu beschäftigen. Weiterhin wichtig waren mir die Personen des Stifters der Kirche Peter Joseph Roeckerath und seiner Frau Agnes, geborene Schmitz, nach der die Kirche benannt ist. Von ihr ist sehr wenig bekannt, wie auch von der heiligen Agnes, die zwischen 304 – 307 nach Christus 12 – jährig während der Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Diokletian hingerichtet wurde. Ich hatte – eine Fügung des Schicksals – die Möglichkeit, anlässlich einer Konzertreise nach Rom im Sommer 2000, die beiden der heiligen Agnes gewidmeten Kirchen Sant’ Agnes in Agone (An dieser Stelle wurde sie hingerichtet-es handelt sich heute um einen barocken Kuppelbau des berühmten Architekten Borromini) und die von der Tochter Constanze des Kaisers Constantin einige Jahre nach ihrem (Agnes’) Tod in Auftrag gegebene Sant’ Agnese (hier, in den alten Katakomben des damaligen christlichen Friedhofes ruhen ihre Gebeine) zu besichtigen. Die Begegnung mit ihr und mit Rom hinterließen einen nachhaltigen Eindruck auf mich. Hier schlug sich für mich ein Bogen zu der mit Füßen getretenen Menschenwürde im Dritten Reich und dem Leiden der Menschheit, von christlicher Seite aus symbolisiert durch die Hinrichtung von Nikolaus Gross.
[leider muß gesagt werden, daß sich die Kirche und die Christen in der damaligen Zeit zu einem nicht unerheblichen Teil anpaßten, wie in dem Buch “ Gehorsame Kirche, ungehorsame Christen im Nationalsozialismus “ von Alexander Gross, des Sohnes von Nikolaus Gross, eindringlich beschrieben wird].
Weitere Grundlagen für meine Nachforschungen waren die Briefe von Nikolaus Gross aus der Gefangenschaft (er wurde am 23. Januar 1945, kurz nach seiner Gerichtsverhandlung und zwei Tage nach dem Agnesfest hingerichtet), sein Buch “Sieben um einen Tisch“ über seine sieben Kinder, die Jubiläumsbroschüre “90 Jahre St. Agnes“ und die drei aus Rom mitgebrachten Bücher “Il Complesso Monumentale Di Sant’ Agnese“ von Amato Pietro Frutaz, das Büchlein “Sant’ Agnese“ von Fabio Contessa und die 7. Ausgabe der Reihe “Roma Sacra“, Guida Alle Chiese Della Citta Eterna. Die Broschüre “St. Agnes in Köln“ – Rheinische Kunststätten – diente als Vorlage, die Architektur der von Carl Rüdell gebauten Kirche zu studieren. Die mit Texten von Pfarrer Hans Ulrich Wiese herausgegebene Broschüre “Vier neue Fenster zur Daniel – Apokalypse von Wilhelm Buschulte“ verhalf mir, den Zugang zu den Fenstern im Chor der Agneskirche zu finden und die Brücke zu schlagen von den Drei Jünglingen im Feuerofen der Danielapokalypse zu den Sieben Posaunen der Offenbarung des Johannes. Und schließlich ist es den Bemühungen von Kantorin Frau Margret Hoppe zu verdanken, dass mir der Notentext der “Missa in hon. S. Foilani“ op. 31 von Fr. Nekes, die zur Einweihung der Agneskirche am 21. Januar 1902 gesungen wurde, zugestellt werden konnte.
Dieses gesamte Material diskutierte ich ausführlich mit Frau Eva Lipton, die daraufhin eine Textvorlage zusammenstellte. Als Grundlage hierzu diente das Ordinarium, die Briefe des Nikolaus Gross aus der Gefangenschaft, die Danielapokalypse, die Offenbarung des Johannes, verschiedene Psalmen und das Dies Irae aus der Totenmesse. Der Text mußte dann aus verschiedenen Gründen gestrafft werden, so daß im Wesentlichen das Ordinarium übrigblieb (gemischtsprachlich: lateinisch und deutsch), mit Einschüben von den Briefen des Nikolaus Gross und der Danielapokalypse im Kyrie und einem Anhang, der Contemplatio zur Komunion mit dem Text über die sieben Posaunen aus der Offenbarung des Johannes und dem Dies Irae, der zwar getrennt ist vom Agnus Dei, mit ihm zusammen aber kompositorisch eine Einheit bildet.
1. Die Grundideen
Die folgenden grundsätzlichen Überlegungen liegen der Komposition zugrunde:
Anläßlich des 100 – jährigen Jubiläums soll der Bezug zu der zur Einweihung der Agneskirche gesungenen “Missa in hon. S. Foilani“ hergestellt werden. Aus diesem Grund beginnt jeder der 5 Messteile Kyrie, Gloria, Credo, Sanktus und Agnus Dei mit einem Zitat der entsprechenden Messteile der Missa, das von der Gemeinde gesungen werden kann, im Falle einer konzertanten Aufführung von einem Chor.
Alle geeigneten Instrumentalgruppen und Chöre der Pfarrei sollen beteiligt sein. Hieraus und auch aus anderen Überlegungen ergibt sich neben der Gemeinde die Besetzung für den Kirchenchor, den Erwachsenenchor, den Jugendchor (dabei kann es sich auch um einen normalen gemischen Chor handeln) und den Kinderchor, der auch im Kontext des Gesamtzyklus “Apokalypse” sehr wichtig ist, die große Orgel, das Orgelpositiv und das Flötenquartett. Aus konzeptionellen Gründen werden zusätzlich zwei Schlagzeuger, sieben Posaunisten, ein Sprecher, eine Solosängerin und die Kirchenglocken benötigt. Es entstehen folgende symbolische Zuordnungen: Die Gemeinde und die Chöre symbolisieren Gemeinschaft, der Sprecher, der die Bedeutungstexte liest (andere als das Ordinarium) verkörpert Nikolaus Gross, die Sängerin, die ebenfalls Bedeutungstexte singt, die heilige Agnes. Der Kinderchor und die Blockflöten symbolisieren das Kindliche, die Unschuld und die Gläubigkeit, wie sie sich in der heiligen Agnes manifestieren. Deswegen kommt dem Kinderchor eine zentrale Bedeutung zu. Der Kirchenchor und die Posaunen symbolisieren das Erwachsene, die Schuld, das bedrohende Gericht, das reflektierte Leiden, personifiziert durch Nikolaus Gross. Das Schlagwerk dient als trennendes Element des Verstandes, die Kirchenglocken als verbindendes Moment der Gefühlswelt.
Aus der Zusammenstellung der Kirchenglocken B (klein), C1, D1, F1, G1, und B1 ergibt sich ein Tonsystem aus 5 Zentraltönen (C, D, F, G, B), 5 Periphertönen (C#, D#, F#, G#, H) und zwei Bedeutungstönen ( A, E, den Vokalen von Agnes ). Insgesamt stellt sich das Tonsystem dar als eine Quartreihe von oben nach unten, angefangen mit B, gefolgt von den 4 restlichen Zentraltönen F, C, G und D. Anschließend befinden sich in der Mitte die beiden Bedeutungstöne A und E. Darauf wiederum fügen sich die Periphertöne H, F#, C#, G# und D# an. Die Summe jeweils der Zentraltöne bezw. der Periphertöne mit den Bedeutungstönen ergibt 7. Alle Klänge und Tonreihen der Komposition ergeben sich als Konsequenz dieser Anordnung und sinnvoller Verknüpfungen von 2, 3, 4, 5 und 7 – Tonreihen. Weiterhin ergeben sich hieraus verschiedene textliche, instrumentale und formale Zuordnungen. So ist das Kyrie der Glocke C (St. Maria) zugeordnet, das Gloria der Glocke D (St. Josef ), das Credo F (St. Petrus), das Sanktus G (St. Jakobus), das Agnus Dei B (St. Agnes) und die dazugehörende Contemplatio ebenfalls der Glocke in B (M. Goretti). Hierbei gilt zu erwähnen, daß die Verknüpfung Agnus – Agnes keine Zufällige ist, zumal die heilige Agnes in der erwähnten Kirche Sant’ Agnese in Rom in zwei Darstellungen zusammen mit einem Opferlamm abgebildet wird. Deshalb kommt dem vom Kinderchor gesungenen Agnus Dei eine zentrale Bedeutung zu.
Die Architektur und die Proportionen der Agneskirche in Köln dienen als Vorbild für die formale Gestaltung der Agnesmesse. Die Länge (80 m = 2 x 2 x 2 x 2 x 5 m) und die Breite 24m = 2 x 2 x 2 x 3 m) weisen die Richtung zu den Primfaktoren 2, 3 und 5. Darüber hinaus zeigt sich, daß die Summen 4, 7, 8 und 12 ebenfalls bedeutende Rollen spielen: Erwähnt seien der oktogonale Hauptturm der Agneskirche und die oktogonalen Petrus – und Marienkapellen, mit 4/8 Schluss und 4/8 Öffnung zum Innenraum hin, außerdem der Chor mit 5/12 Schluß und 7/12 Öffnung zum Innenraum. Das Langhaus umfasst 4 Joche, die Aussenwände des Querschiffes jeweils 3. Ursprünglich hatte die Kirche drei Eingänge an der Südseite, zwei davon sind später zugemauert worden. Daraus folgt die Dreiteiligkeit des Kyrie (drei Eingänge), die Achtteiligkeit des Gloria (oktogonaler Hauptturm zwischen den Eingängen und dem Langhaus), die Siebenteiligkeit des Credo (4 Joche Langhaus plus drei Joche Aussenwände des Querschiffes), die Achtteiligkeit des Sanktus (oktogonale Petrus – bezw. Marienkapelle) und die zwölfteiligkeit des Agnus Dei in Verbindung mit der Contemplatio (zwölfteiliger Chor). Diese Proportionen sind in der Komposition bis auf zwei begründete Ausnahmen genauestens eingehalten worden und sind auch neben symbolischen Bedeutungen ausschlaggebend für die Taktwahl. So ist beispielsweise jeder Teil des Kyrie genau 156 Viertel lang, das Kyrie zusammengerechnet also 468 Viertel.
Die Ausführung muß praktikabel sein und die Komposition soll annehmbar klingen. Frau Margret Hoppe wies darauf hin, dass es sich bei den Chören und den Blockflötenspielerinnen überwiegend um Laien handelt, die selbstverständlich Wert auf eine machbare Ausführbarkeit und einen annehmbaren Klang legen. Ich versuchte, diesem Rechnung zu tragen, indem ich die rhythmisch komplizierten Parts in die übrigen Instrumentalstimmen einkomponierte und den Chören die Möglichkeit gebe, sich über eingehende Tonfortschreitungen und kleine Intervalle auch durch komplizierte Klänge und Bezugstöne zu finden. Die große Besetzung und ihre Verteilung im Raum macht es darüber hinaus notwendig, rhythmisch bestimmte Grenzen einzuhalten und die Instrumentierung genau zu kalkulieren, nicht nur bezüglich des Klanges und des Halles, sondern auch bezüglich der Entfernungen. So dient beispielsweise die große Orgel als Gegenpol zu den Posaunen und unterstützt gleichzeitig den bei ihr stehenden großen Kirchenchor, das Orgelpositiv hingegen die beiden in der Nähe befindlichen Jugendchor und den Erwachsenen Chor, die Blockflöten grundsätzlich den Kinderchor. Diese Beschränkung war eine der größten Herausforderungen des Kompositionsprozesses.
Aus diesen Ideen und Überlegungen ergibt sich die folgende Aufstellung der verschiedenen Klanggruppen: Die Gemeinde sitzt im Längsschiff. Der große Kirchenchor befindet sich zusammen mit der großen Orgel auf der Orgelempore, der Erwachsenenchor im westlichen Querschiff (von der Gemeinde aus links), der Jugendchor im östlichen Querschiff. Der Kinderchor zentral vor dem Altar, im hinteren Chorbereich das Orgelpositiv. Die Sängerin und der Sprecher stehen in der Nähe des Ambo, wobei die Sängerin zwischendurch auch einmal die Orgelempore aufsucht (zum Credo und Sanktus). Die sieben Posaunen stehen verteilt in der Form eines möglichst großen Halbkreises in dem 7/12 – offenen Bereich des Chores, die 4 Blockflötistinnen sitzen zusammen im Mittelgang, die beiden Schlagzeuger im Eingangsbereich unterhalb der Orgelempore, der Keyboarder, der die Kirchenglocken betätigt, die ggfs. über Mikrofone ins Innere der Kirche verstärkt oder gesampelt werden, sollte in der Nähe des/der Dirigenten(in) sitzen, der (die) wiederum zentral dort stehen soll, wo sich Längs – und Querschiff kreuzen. [Bitte die Skizze der 1. Partiturseite beifügen]. Bei der Uraufführung stellte sich heraus, daß zwei Zusatzdirigenten und Monitore die Arbeit erheblich erleichterten.
Die Komposition
Bei der Agnesmesse handelt es sich um ein kalkuliertes Spiel mit Symmetrien und Tonreihen (2er, 3er, 4er, 5er, 7er), Klangfiguren, Klangschichtungen, Klangrotationen, Zahlensymbolik und dem voll ausgeschöpften Klangraum der Agneskirche. Die Klänge ergeben sich aus Tonbewegungsrichtungen, Tonreihungen, rhythmischen Reihungen, aus kalkulierten Kombinationen verschiedener Bewegungsrichtungen, klangsymmetrischen Konstruktionen und wiederum deren Kombinationen. “Geometrische Musik” oder “Architektonische Musik” sind die im wahrsten Sinne des Wortes zutreffenden Begriffe für diese Art der Komposition, dieses gilt sowohl für die formale Struktur als auch für die harmonischen Intervallbeziehungen. So wie die Agneskirche eine neugotische Architektur ist, so handelt es sich bei der Agnesmesse um eine neugotische Komposition. Harmonien und Klänge ergeben sich aus Bewegungen, das Gemeinschaftliche aus dem Zusammenspiel der Individuen, aus Rotationen der einzelnen Stimmen. Wenn es also bekannte Klänge (z.B. Dur oder Moll) zu hören gibt, so sind sie aus diesem Zusammenspiel entstanden, nicht weil sich das Tonsystem darauf beruft.
Das Kyrie
Das Kyrie ist dreiteilig angelegt, wie schon erwähnt. Gleichzeitlich handelt es sich dabei jedoch um eine textliche Siebenteiligkeit: 1. Kyrie eleison – 2. Zwischentext (Nikolaus Gross) – 3. Christe eleison – 4. Zwischentext (Danielapokalypse) – 5. Kyrie eleison – 6. Zwischentext (Nikolaus Gross) – und 7. das Kyrie eleison noch einmal als Coda, oder auch formale Achtteiligkeit, nimmt man ein auskomponiertes Kirchengeläut mit hinzu. Wie in keinem anderen Messteil ist das Tonsystem (Bedeutungstöne, Zentraltöne, Periphertöne) getrennt und geschichtet verwendet. Alle Klanggruppen und Musiker bekommen die Gelegenheit, sich zu entfalten.
Das Gloria
Die Besetzung im Gloria hingegen ist folgendermaßen: Erwachsenenchor, Orgelpositiv, Solosängerin und sieben Posaunen. Das Gloria ist achtteilig. Bei den einzelnen Teilen handelt es sich um verschiedene Formen und Verknüpfungen von Klangrotationen mit alternierenden und öffnenden und schließenden Klängen (enge gegen weite Lagen) in den Posaunen. Diese wiederum sind mit accellerierenden und ritardierenden auskomponierten Klangbewegungen verbunden. Alles in allem führt das zu 8 verschiedenen Formen von Klangrotationen. Die Töne ergeben sich prinzipiell aus Gründen der Plastizität enge und weite Lagen entgegenzusetzen und in bestimmten Situationen Sekundreibungen durch eng zusammenliegende verschieden schnelle parallele oder inverse Rotationen zu erzeugen. Dabei handelt es sich immer um verschiedene Töne, um eine Separation der Klänge zu gewährleisten und die überwiegende 7- Tönigkeit der Kyrieklänge fortzusetzen. Der Chor ist homophon komponiert, um diese empfindlichen Gebilde nicht zu beeinflußen. Folgende 2 x 4 – teilige Form wird hierbei bezüglich der Klanggruppen verwendet:
1.Teil: Chor und Posaunen nacheinander
2.Teil: Chor und Solostimme mit den Posaunen überlappend
3.Teil: Solostimme und Posaunen gleichzeitig
4.Teil: Chor und Posaunen überlappend
Dieses Prinzip wiederholt sich, wobei sich die verschiedenen Rotationsformen verändern.
Das Credo
Das Credo besteht aus sieben Teilen. Besetzt ist es mit dem Kirchenchor, der grossen Orgel, der Solostimme (sie geht zum Chor auf die Orgelempore) und dem Schlagwerk. Handelte es sich also beim Gloria um Klanggruppierungen im vorderen Bereich der Kirche, so jetzt um Gruppierungen im hinteren Bereich. Alle 16 Bewegungsrichtungskombinationen der 4 Stimmen des Chores untereinander werden streng auskomponiert, und zwar so, dass sich jeweils zwei Kombinationen mit ihren Umkehrungen in einem Teil befinden. So besteht das Credo aus 4 kompositorischen Hauptteilen mit Chor und drei Zwischenteilen mit Solostimme. Gleichzeitig gelangt das Schlagwerk zur vollen Entfaltung. Die 4 Chorteile stehen im 3/4 Takt, die drei Soloteile im 4/4 Takt. Dieses Prinzip wird in den letzten beiden Teilen bewußt durchbrochen, denn das Solo bleibt im 3/4 Takt und der abschliessende Chor steht im 2/4 Takt.
Das Sanktus
Das Sanktus ist achtteilig angelegt. Die Besetzung besteht aus dem Jugendchor, dem Schlagwerk, der grossen Orgel, dem Orgelpositiv den Kirchenglocken und der Solostimme, die sich immer noch auf der Empore befindet. Die verschiedenen Klanggruppen sind also in der gesamten Kirche verteilt. Dieses ist durchaus praktikabel, da es sich hier um langsam sich verändernde übereinanderliegende Klangschichtungen handelt. Ein festgelegtes System kombiniert drei Klanggruppen (1. Jugendchor [Solostimme] und Orgelpositiv, 2. Chimes und Kirchenglocken, 3. grosse Orgel) mit drei Grundrhythmen und drei verschiedenen Klängen, jeweils bestehend aus drei Tönen. Dabei stehen innerhalb eines einzelnen Teiles (9 Takte) die Klanggruppen und Klänge aufeinander bezogen fest, wobei über ein Modell bestehend aus den drei bzw. sechs Komponenten der wiederum jeweils in sich unterteilten Zentraltöne, Bedeutungstöne und Periphertöne die 8 Teile über 8 verschiedene sich langsam verändernde Klangkombinationen miteinander verknüpft werden. Die Klänge rotieren hierbei jeweils in sich selbst. Dieses Klangrotationsprinzip funktioniert folgendermaßen: Drei Takte Rotation, drei Takte inverse Rotation und drei Takte Ursprungsrotation, beginnend auf der zweiten Note. Zusammenfassend werden also folgende Prinzipien angewendet: 1. Das Klanggruppenrotationsprinzip, 2. Das Klangrotationsprinzip, 3. Das Rhythmusrotationsprinzip und 4. Das Verknüpfungs -rotationsprinzip der Klanggruppen, Klänge und Rhythmen untereinander.
Beim Sanktus handelt es sich wiederum um eine 2 x 4 – teilige Anordnung. Nach 4 Teilen, also 36 Takten, ist die Form retrograd bezüglich der Zuordnung und Reihenfolge von Klang, Klanggruppe und Rhythmus, wobei sich die Klangkombinationen weiterhin verändern, der Text jedoch wird in der ursprünglichen Reihenfolge wiederholt.
Das Agnus Dei
Das Agnus Dei bildet mit der abschliessenden Contemplatio formal eine Einheit. Es ist ein Kinderlied, bestehend aus der Pentatonik der Kirchenglocken bezw. der transponierten Periphertöne, dreiteilig und kurz, da es nur 1/12 der Gesamtlänge zusammen mit der Contemplatio haben soll. Die Besetzung besteht aus dem Kinderchor und den Flöten.
Die Contemplatio
Die Contemplatio besteht aus 11 Teilen und ist für das gesamte Instrumentarium komponiert. Sie beginnt sehr rhythmisch und pointiert mit dem 1. Teil des Dies Irae aus der Totenmesse nach einer kurzen Einleitung. Die Posaunen spielen hierbei verschiedene Fächerklänge. Hierauf folgen die sieben Teile mit den sieben Posaunen aus der Johannesapokalypse. Diese Teile sind alle gleich lang (5 Takte), bis auf die letzte Posaune (7 Takte), aber kürzer als die restlichen wiederum gleichlangen 5 Teile des Agnus Dei und der Contemplatio. Die Solostimme kündigt jeweils die Engel an, die dann die jeweilige Posaune spielen und die sich abwechselnden Chöre beschreiben, was daraufhin geschieht. Der Solostimme, den jeweiligen Posaunen und den Chören sind jeweils eine eigene Siebentonreihe zugeeignet, wobei die Solostimme jeweils 3 Töne ihrer 7 – Tonreihe singt, die jeweilige Posaune 4 Töne und der jeweilige Chor 5 Töne. Auf diese Weise haben nach der 7. Posaune alle Klanggruppen ihre jeweils 7 Töne durchgespielt (die Solostimme 3 mal, die Posaunen 4 mal und die Chöre 5 mal).
Hierauf folgt als 10. Teil der zweite Teil des Dies Irae mit bezüglich des ersten Teiles weiterführenden Fächerklängen in den Posaunen und dem Lautstärkehöhepunkt der ganzen Messe.
In den abschließenden Teilen 11 und 12 spricht der Sprecher die Schlüsselvision des Johannes: “Und ich sah die Seelen aller, die enthauptet worden waren, weil sie an dem Zeugnis Jesu und am Wort Gottes festgehalten hatten… Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende”. Dazu spielt das gesamte Instrumentarium (im 11. Teil jedoch noch ohne die Posaunen) eine vertikale (Kirchenglocken, grosse Orgel, Schlagwerk, Flöten und Orgelpositiv) Klangrotation und einige Takte später gleichzeitig eine horizontale (Kirchenchor, Erwachsenenchor und Jugendchor).
Im 12. Teil kommt in entgegengesetzter Richtung zur horizontalen Rotation der Chöre eine horizontale Klangrotation der Posaunen hinzu, die sich umkehrt und später in sich zusammenfällt. Der Tonraum aller Zentraltöne, Periphertöne und Bedeutungstöne wird voll ausgeschöpft. Dieses Instrumentarium verdünnt sich gegen Ende, um mit dem Zitat des Kinderliedes aus dem Agnus Dei zu enden, gesungen vom Kinderchor.
Gewidmet ist das Werk und der Zyklus “Apokalypse” allen Kindern, besonders meinen eigenen Kindern Tankred, Ronja und Sebastian, allen verfolgten und tapferen Menschen, die zu ihren Überzeugungen stehen und natürlich der Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln.